Text 7. Szene: Der Schläger

Eigentlich war es einfach nur dumm gelaufen. Normalerweise hatte sich Mio im Griff, meistens.

Es waren einfach mehrere Faktoren, die bei ihm Einfluss nahmen. Hätte er sich vorher schön einen Joint geraucht, wäre das nicht passiert. Stattdessen hatte er einen Kumpel besucht, der meinte, zu seinem Geburtstag mit ihm anstoßen zu müssen. Vermutlich hätte es Bier auch getan. Es musste natürlich Fusel sein. Er hatte eigentlich irgendwie doch gute Laune, bis zu dem Moment, als ihm Wolfbring auf dem Weg nach Hause begegnete.

Und dann war da noch der Mann, der oben auf seinem Balkon stand, der ihn sah, wie er Wolfbring ein Stück zu nahe getreten war. Dabei hatte er noch versucht, mit Wolfbring in das Gebüsch zu verschwinden. Auf der einen Seite hatte er kläglich versagt, wenn das damit zu erklären wäre, weil er erwischt wurde. Erklärt, warum das passierte, teilte er nicht der Polizei und auch nicht dem Richter mit. So bekam er eine Strafe, wurde verdonnert, auch die nächsten drei Jahre brav zu sein und auch Sozialstunden abzudrücken. Wenn er noch gutes Geld verdienen würde, dann hätte er ein Problem, aber so schaut Wolfbring natürlich finanziell in die Röhre. Und das war gut so. Ob seine Verurteilung geringer ausgesehen, wenn er die Gründe vorgetragen hätte, bezweifelte Mio. Dafür hatte er auch seine Gründe, das nicht zu tun.

Es lag nicht an dem Verhalten von Wolfbring gegen ihn. Dabei war das vom ersten Tag an da, als er in das Haus gezogen war. Dass Wolfbring schon Mio`s Rad voller Wucht gegen die Wand des Hauses geschmissen hatte, war eines der Höhepunkte. Oder war es das Mofa eines Kumpels, der das Teil eigentlich nur kurzfristig in den Innenhof gestellt hatte, weil er es verkaufen wollte. Sylvia hatte zeitnah eine Kamera geprüft und die hatte aufgenommen, wie Wolfbring den direkten Weg zu dem Mofa genommen hatte und zielsicher an der Seite aktiv wurde. Der Kumpel hatte kurz darauf versucht, das Mofa zu starten, ein Käufer wollte auch vorbeikommen. Das Mofa sprang nicht an. Dafür sendete Sylvia ein passendes Video zu Mio`s Handy, das kurz vorher die Beschädigung durch Wolfbring zeigte.

Das war ein Geschrei, passte den Wolfbring auch nicht, dass er dabei gefilmt worden war. Dafür hatte Doris die Polizei gerufen und Wolfbring`s erzählten dann, dass ihr Leben in Gefahr wäre. Die Nummer hatten Wolfbring`s voll drauf und das musste Mio zugeben, dass sie tatsächlich darin besser waren und sind als er. Wobei er aber keinen Ehrgeiz in dieser Richtung entwickeln wollte.

In der Art ging es weiter und damit war es klar, dass sich Wolfbring`s und Mio nicht ausstehen konnten. Bis zu dem Moment, als Mio seinen Sohn an manchen Wochenenden zu Besuch haben durfte. Die Partnerschaft zu der Frau war bereits vor Zeiten gescheitert. Wobei beide, also Mio und seine Ex, wieder miteinander reden konnten. Sie hatte auch einen neuen Partner, mit dem sie mit dem Sohn und ihm eine Beziehung lebte. Mio liebt seinen Sohn über alles. Und irgendwie schien es Wolfbring genauso zu gehen. Gesehen hatte er den Knaben im Treppenhaus. Der Junge ging die Treppe hoch zu der Wohnung. Gefolgt war er von seinem Vater Mio.

Manchmal passiert es. Man sieht sich freundlich an, lächelt und dann passiert es. Alles in diesem Moment der Begegnung geschieht, als sei der Mensch in seiner Vollkommenheit erschienen und auch es erscheint, als sei er oder sie wie von Göttern geschaffen worden. Dann kann es sogar passieren, dass man sich der Faszination dieses Menschen nicht entziehen kann. Wenn das tatsächlich beiden geschieht, könnte das ein Gefühl für die Ewigkeit sein. Oder auch ein Verliebt sein oder auch die große Liebe. Was ja auch kein Problem wäre. In dem Fall sollte eigentlich selbst der Hauch von einem zarten Gefühl von Wolfbring zu dem Knaben zu viel gewesen sein. Aber Wolfbring schien sich unsterblich verliebt zu haben. So wie bei dem Knaben aus der Nachbarschaft.

Natürlich hatte es Mio sofort mitbekommen. Er war auf der Hut. Die Besuche seines Sohnes bestanden in seiner Wohnung. Kommen und gehen wurden von Mio kontrolliert. Den Sohn ließ er keinen Moment alleine. 

Wolfbring schleimte sich förmlich an Mio heran. Es war schon interessant. Er meinte wohl, dass der Junge ihm völlig besitzen wird, sofern er den Vater auf seine Seite gezogen hatte. Was ihm natürlich nicht gelingen konnte. Ein wenig wie Katz und Maus im Treppenhaus.

Da geschah es dann. Der Sohn sollte wieder das Wochenende bei seinem Vater verbringen. Der Junge lief die Treppe hoch zu der Wohnung seines Vaters, der ihm folgte. Mio meinte später, dass er keinen Ton von Wolfbring gehört hatte. Auf dem halben Weg blieb der Junge auf dem Podest der Treppe stehen. Sein Blick war nach unten gerichtet, seine Stirn zog sich höher, die Augen erschienen immer größer zu werden, so wie sich auch sein Mund öffnete. Mio brauchte einen Moment, um darauf zu reagieren. Während des Treppensteigen suchte er in seinem Handy die Nummer der Ex. Eigentlich wollte er ihr mitteilen, dass sie gut angekommen waren. Sein Blick folgte dem seines Sohnes.

Unten auf dem Flurboden vor der ersten Stufe stand Wolfbring. Mit seinem Mund bewegten sich seine sichtbare Zunge und seine Lippe, sein Blick war lustvoll auf den Jungen gerichtet. Dabei befand sich eine seiner Hände an seinem Geschlechtsteil, das aber noch in der geschlossenen Hose befand. Sofort bewegte sich Mio die Treppe wieder runter, seinem Sohn rief er nur zu, dass er sich sofort Richtung der Wohnung zu begeben soll. Er war schnell, Wolfbring nicht so schnell wie Mio. So erwischte Mio ihn. Packte ihn am Hemd nahe des Halses, drohte ihm Prügel an, schubste ihn Richtung seiner Wohnungstür und beförderte ihn mit einem Tritt in den Hintern in seine Wohnung, die Wolfbring auch umgehend aufsuchte. 

Später erzählte Mio Sylvia, dass er das seiner Ex nicht berichten wollte, auch seinem Sohn erklärte er, dass Wolfbring nur einen Clown machen wollte. Er bat seinen Sohn, dass er seiner Mutter davon nichts erzählen sollte, sie würde das sicher falsch verstehen. Für seine Reaktion und dafür, weil er ihm eine große Liebe verdorben hatte, wurde Mio, dann auch von Wolfbring`s Frau, tyrannisiert und terrorisiert. 

Mio`s Vertrauenslage war zur Richtung der Polizei nicht besonders nahe. Sylvia erklärte er auch, dass seine Ex weitere Besuche seines Sohnes untersagen würden. Sie würde das nicht zulassen, einen Pädophilen in der Nähe ihres Sohnes zu dulden. 

Er war schon Nummer zwei, was er erfahren hatte, die Wolfbring eine Tracht Prügel verpasst hatten. Bei ihm war eine obszöne Bemerkung von Wolfbring angekommen. Er hatte nicht mit den Prügeln gerechnet, auch nicht, als es ebenfalls vor einiger Zeit geschah. 

Es war ein Junge, der erwachsen wurde und in einem besonderen Moment von Übergriffen von Wolfbring seinem Vater berichtete. Taten, die über längere Zeit getan worden sind, wieder mit dem Tuch des Schweigens bedeckt worden sind und auch den Geheimnissen, die er sich vorher schwören lies. Die Aussage seines Sohnes drohte dem Vater das Herz zu brechen. Beide packten Wolfbring und verprügelten ihn. Drohten ihm, ihn bei der Polizei zu melden, ihn damit in den Knast zu bringen. Und trotzdem versuchte er es bei dem Kind der Nachbarn, auch bei dem Sohn von Mio. 

Dann kam der Tag, als sein Kumpel Geburtstag hatte. Mio war noch im Bad, hatte geduscht, trocknete sich ab und sah dabei aus dem Fenster. Es war Freitag, es ging auf das Wochenende zu und scheinbar ist es dann nötig, dass Wolfbring aus dem Taxi Dinge räumt. Mio hatte schon gesehen, dass er Sitzerhöhungen, die ohne Rückenteil, vom Taxi zum Haus trug. Immer drei Stück gestapelt und er ging zwei Mal. 

Diesmal blieb Mio weiter dort stehen, betrachtete Wolfbring`s Gesicht, seinen Ausdruck dabei. Er roch an den Sitzen, er ließ sich Zeit, sie in das Haus zu tragen. Der Ausdruck seines Gesichtes war anders als sonst. Er wirkte verträumt, glücklich, der Duft, der auf den Sitzen nicht schwebte, sondern verbunden war mit den Sitzen. Für kurze Momente erfüllten die Sitze ihn mit Liebe zu diesem Duft der Kinder, die sie nutzen, die er selbst von A nach B brachte und dann ihren Duft zurückließen, ihn ihm überließen.

Neben der Wut kam Mio das Gefühl von Ekel hoch. Irgendwie verbannte aber Mio den Eindruck, den er für kurze Momente hatte. Und eigentlich wollte er das auch bei dem Geburtstag nicht bedenken. Aber als er bei dem Rückweg auf Wolfbring traf, der ihm mit seinem kranken Lachen begrüßte, ihn mit seinem labernden Gerede anmachte, der selbst wieder betrunken war und wieder mit dem Dackel auf dem Weg zu den Plätzen ging, wo sich Kinder zum Spielen aufhalten könnten, ließ Mio richtig böse werden ... 


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Tuna von Blumenstein

Mord in Genf

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Die Handlung in diesem Buch ist fiktiv, die Namen frei erfunden.



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