Text 12 Szene: Nachts schlafen die Ratten doch nicht

(z.K.: Natürlich wurden umgehend die Kameras gestohlen)

In der Nacht war der Frost über den kleinen Garten gezogen. Aber die Sonne schien und der Tag dürfte auch etwas wärmer werden, als die Nacht. Natürlich hatte Sylvia wieder schlecht geschlafen.

Damals, in der Zeit als sie zu Schulen ging, gehörte der Schriftsteller Wolfgang Borchert mit seinen Texten zu den Lehrplänen. Wobei damals viel Wert auf Prosa gesetzt wurde.

Er beschrieb eine Stadt, die zerstört war. Dort war ein Junge, wohl neun Jahre alt, der auf seinen kleinen Bruder aufpassen musste. Der bereits für den älteren Bruder dort nicht mehr erreichbar war. Weil das Kind tot unter dem Schutt lag. Aber der Junge musste über ihn wachen. Es hatte jemand gesagt, dass die Ratten nachts kamen und seinen kleinen Bruder auffressen würden. So fehlte dem Jungen der Schlaf, weil er das verhindern wollte. Obwohl er ihn nicht erreichen konnte. Ihn nicht ausgraben konnte, damit er dann seinen kleinen Bruder in den Arm nehmen, um ihn dann auch zu trösten versuchen wollte und irgendwie damit auch sich selbst.

Dann kam ein anderer Mensch und sagte dem Jungen, nachts schlafen die Ratten doch. Eine Lüge hatte dazu geführt, dass der Junge schlafen konnte. Ein Text, der Sylvia ihr Leben lang begleiten würde. Entstanden 1947, damals als Trümmerliteratur erklärt. Wobei es ihr völlig egal war, dass der Text damals zur Prosa erklärt wurde.

Sie trug sich mit der Frage, dem Kind mit einer Lüge Hoffnung zu geben. Wohlwissend, dass die, die den größten Vorteil hatten, Ratten waren. Die Ratten heute und auch in der Zukunft weiter Vorteile haben werden.

Natürlich sieht Sylvia Nachrichten. Sieht Städte, von Bomben in Trümmer gelegt. Sieht Erwachsene, junge Menschen und auch Kinder, die verzweifelt in den Trümmern Menschen und Kinder suchen. Wobei es ihr eigentlich völlig egal ist, wo sich dieser Ort befindet. Und es sind Opfer, die unter dem Schutt liegen und Opfer, die in dem Schutt wühlen auch verhindern wollen, dass die Ratten die Verschütteten auffressen werden.

Wobei es auch egal sein dürfte, welcher Religion, welcher politischen Richtung oder auch Nationalität Menschen angehören. Es gibt nur Opfer und Täter. Wobei es dort wo Sylvia lebt keinen Krieg gibt. Und doch gibt es Opfer und Täter. Sie hatte schon Probleme, sie bekam damals gesagt – hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. So einfach machen es sich manche.

Natürlich gibt es Sinn, sich vor Tätern zu schützen. Sie hatte es mit Beweisen versucht. Was niemanden interessierte. Die Kameras im Innenhof funktionierten schon, weil sie einfach ein Schild geschenkt bekommen hatte und es auf hing. Auf dem steht, dass der Bereich mit Videos überwacht wird. Es ging einfach nur um die Räder und Tretroller, die auch endlich geschützt waren. Aber im Grunde genommen, ging es um Geld, um Eigentum, das zu schützen gilt.

Es ist natürlich schwierig, quasi Beweise vorlegen zu können, wenn es niemanden interessiert. Doris Wolfbring versuchte sich in schriftlichen Drohungen. In dem sie Sylvia als kleine Behinderte bezeichnete und dabei ein übelstes Wort zur Beleidigung nutze. Auch, dass sie sich endlich wegmachen sollte. Wobei sie schrieb, dass sie dafür sorgen würde, dass sie keine andere Wohnung in dem Ort bekommen würde, dafür wollte sie sorgen. Was ihr nicht gelang. Es gibt Sinn zu flüchten. Wobei Täter es sich einfach machen und dann ihre Opfer als Behinderte bezeichnen.

Was auch schriftlich mitgeteilt wurde, dass Sylvia in ihrer eigenen Welt leben würde. Dass ihr Gemüt nicht mehr positiv, streckenweise sogar unverständlich sei, sie sei sogar erschreckend und infantil. Wobei die Täterin von einer Angst schreibt die vorhanden sein soll, dass sie schon träumt, in den Knast gebracht zu werden. Eigentlich sollten Täter auch dort landen. Es gibt tatsächlich zuständige, die das glauben, oder auch nicht. In der Regel geht es dann aber nur um Geld, so waren es Sylvias Erfahrungen, die sie in den Jahren so sammelte.

Es war an irgendeinem Tag, als der Zuständige meinte, im Innenhof Pflanzen schneiden zu müssen. Damit der Zaun wieder frei zu betrachten war. Später sah natürlich Sylvia die Videos. Ihr wurde übel, als sie Doris Wolfbring sah, wie sie sich einem Kind näherte, welches der Zuständige mitgebracht hatte.

Doris hatte ihre Hände in der Art Strickjacke versenkt. Und während sie sich diesem Kind näherte, drückte sie ihre Hände zu ihrem Intimbereich, wo sich irgendwo ihre Vulva befindet um dann dort auch rhythmisch ihre Hände in Tätigkeit brachte. Irgendwann verschwand der Junge. So näherte sich Doris dem Zuständigen, zog ihre Hände aus der Jacke, führte die Arme schnell zu ihrem Rücken. Wie mit einem Ruck bewegte sich ihr großes Brustvolumen in eine höhere Position.

Vermutlich hatte sie den Zuständigen gelobt, weil er den Zaun freigemacht hatte, damit endlich wieder durch die Spalten zwischen den Sichtschutzstreifen der Nachbargarten zu betrachten sein wird. Damit natürlich von Emil Wolfbring wieder Blick auf die Kinder der Nachbarn geworfen werden kann. Was Doris dem Zuständigen vermutlich nicht so mitgeteilt hatte.

Irgendwann war er alleine im Innenhof, dachte wohl, dass die Kameras ihn nicht aufnehmen konnten, weil er nahe dem Schuppen stand. Es war doch eine weitere Kamera, die er nicht gesehen hatte, die aber ihn. Sein Rücken war zu sehen, sein Gesicht nahe an den Spalten des Zaunes. Seine Hände waren nach unten geführt. Es hatte ja neue Nachbarn gegeben, die junge Frau sehr schön, ihr junge Mann sah auch frisch und jung aus. Kinder mussten sie auch haben, aber der Zuständige stand vermutlich nur auf Frauen. Im Gegensatz zu Emil Wolfbring. Der definitiv nicht auf Frauen stand, auch nicht auf Männer, aber dafür auf Knaben.

Nachts nehmen die Kameras Ratten auf, wie die aus dem Schuppen und dann zurück zum Schuppen eilten. Aber auch am Tag. In dem kleinen Garten hatte Sylvia irgendwann zwei kleine Teiche angelegt. Mit Seerosen, eine rot, die zweite leicht rosa. Sie musste sie abbauen, das war ihr schon klar, denn die Pflanzen und auch Goldfische wollte sie unbedingt mitnehmen. Den neuen Teich hatte sie schon in der neuen Wohnung in dem Garten dort angelegt.

So kam Mio um zu helfen. Mit einem starken Stock in der Hand bewegte er sich zu einem Teich und Schlug mit dem Stock auf den Boden und trampelte dabei mit seinen Füßen um den Teich. Sylvia hatte sich vor die Eingangstür der Wohnung zurückgezogen. Sie wollte flüchten, für den Fall, wenn es gefährlich für sie wurde. Die Ratten kamen aus ihren Gängen, flüchteten aber in Richtung anderer Gärten. Mio versuchte noch, eine Ratte mit seinem Stock zu erwischen. Was ihm nicht gelungen war, aber Sylvia auch nicht vermisste.

Sylvia hatte es nicht vor, länger den Schimmel in den Wänden, die Ratten im Garten oder auch den Kinderschänder ertragen zu müssen. Wobei ihr absolut klar ist, dass die Kinder die Opfer sind, keine Chance gegen solche Täter hatten, jetzt keine haben und auch keine in der Zukunft haben werden.

Und die Ratten werden auch nachts nicht schlafen.


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Tuna von Blumenstein

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