Text 11 Szene: Eigentum verpflichtet

Es war ja nicht so, dass Sylvia vergessen hatte, irgendwo um Hilfe zu bitten. Der Tenor als Antwort war natürlich in der Regel, dass sie sehen sollte, woanders eine andere Wohnung zu finden. Was natürlich Sinn gab. Eine Frau meinte, sie hätte es schon längst zum dritten Mal geschafft auszuziehen. Nun haben sich die Zeiten längst geändert. Natürlich dürfte mit einem guten Einkommen solche Entscheidungen getroffen werden. Sylvia stand mit ihrer Rente da und damit in einer anderen Situation. Menschen, die dem Krieg entkommen waren, mussten irgendwo untergebracht werden. Preiswerte Wohnungen zu finden, hatte sich zu einer Unmöglichkeit entwickelt.

Dann kamen die Aktionen von Doris Wolfbring. Sie beschrieb Zettel, meinte die Verteilung würde dafür sorgen, dass damit Druck auf andere Menschen ausgeübt wird. So konnte Sylvia dann auch lesen, dass Doris dafür sorgen würde, dass sie keine Wohnung in dem Ort finden würde. Dafür wollte Doris sorgen. Das war schon eine der heftigen Mitteilungen, die eben auch noch schriftlich erstellt wurden.

Das sollte bedeuten, dass Sylvia den Ort verlassen sollte, damit Emil wieder freien Raum für seine »Geheimnisse« bekam, die er mit Kindern wiederhaben wollte, dass er sich wieder frei entfalten könnte.

Sylvia erinnerte sich an die Zeit, die sie vor dem Einzug der Wolbrings erlebte. Damals lebte eine alte Frau in diesem Haus. Sie gehörte irgendwie zu der Verwandtschaft der Besitzer. Natürlich war ihre Wohnung vorher renoviert worden. Als Sylvia die Wohnung neben der Dame einzog, genoss sie vom ersten Tag an das herzliche Wesen der älteren Frau. Es war auch irgendwie ein älteres Haus und natürlich hätte längst etwas getan werden sollen, auch in ihrer Wohnung. Und doch hatte Sylvia das Gefühl, auch alt in diesem Haus werden zu können. Sie fing damit an, ihren kleinen Garten zu lieben. Der alten Dame begann sie im Vorgarten behilflich zu sein. Als die Dame starb, war Sylvia sehr traurig über den Verlust. Den Vorgarten übernahm dann Sylvia und fing auch an, diesen Vorgarten zu lieben.

Dann zogen Wolbrings ein und der Terror begann. Wobei die beiden erst versuchten, Sylvia auf ihre Seite zu ziehen. Sie erinnerte sich, weil irgendwann, es war an einem Wochenende, Doris bei ihr klingelte. Sie teilte ihr mit, dass im Keller Wasser auslaufe und der Keller volllaufen würde. Die Menge Wasser war bereits gut 10 cm in der Höhe gewachsen. Sylvia rannte zu einem Mann, der sonst irgendwie in der Verantwortlichkeit tat.

In schlechter Laune folgte er Sylvia, ging in den Keller, drehte dort einen Wasserhahn zu, fluchte, um dann den Ort wieder zu verlassen. Emil Wolbring hatte sich das Spektakel in geringem Abstand lachend betrachtet. Er ist davon ausgegangen, dass dieser »Zuständige« mit der Arbeit begann. Das tat er nicht, auch die Besitzer des Hauses wurden nicht aktiv. Das war etwas, was für Sylvia klar war. So hatte sie umgehend begonnen, das Wasser aus dem Keller zu schaffen. Irgendwie wuselte dann auch Doris mit einem Eimer im Keller. Natürlich hatte sie ihren Kellerraum nicht vollständig trockengelegt. So setzte sich dort der Schimmel durch.

Es dauerte nicht lange, als Doris bei Sylvia klingelte, um ihr wieder etwas zu zeigen. Sie bat in ihr Wohnzimmer. Der Raum war hoch geheizt. Natürlich vollgestellt mit Möbel. Irgendwie passte noch ein Wäscheständer in den Raum. Doris bewegte sich zu einem Sessel, der in dem Raum stand. Sie schaffte es, ihn an die Seite zu bewegen. An der freigestellten Stelle befand sich auf den Fliesen Schimmel.

Es musste eine Verbindung zwischen Sessel und Fliesen geben und sich mit Sicherheit auch unter den weiteren Möbeln. Sylvia wies auf die Höhe der Luftfeuchtigkeit hin, dass es nicht gut sei, noch nasse Wäsche in das Wohnzimmer zu stellen. Irgendwie hatte Sylvia das Gefühl, dass sie sich ihr Reden sparen könnte. In dem Alter von Doris hätte sie das längst wissen müssen.

Nachdem Sylvia den pädophilen Versuchen des Emil Wolbring an dem Nachbarkind verhindert hatte und es zu der Anzeige kam, empfand es Sylvia wichtig, den Kontakt zu Wolbrings völlig abzubrechen. Es kam zu massiven Schäden, die an dem Haus von Wolbrings getätigt wurden. Das galt auch für den Vorgarten. Wobei es Sylvia eigentlich erwartet hatte, dass die Besitzer des Hauses irgendetwas unternehmen würden, um das zu verhindern. Das geschah nicht.

Wobei es auch dazu kam, dass es sich nicht mehr rechnen würde, Schäden am Haus zu beseitigen. Diese Entwicklung war eben nicht Sylvias Einstellung. Für sie war Besitz Verpflichtung. Besonders dann, wenn dieser Besitz auch von Menschen benutzt wird, die auch dafür bezahlen müssen. Das ist ja auch nicht ehrenamtlich, Besitz zu haben. Es schien auch nicht möglich zu sein, zuständige Behörden um Hilfe zu bitten. Zuständig war niemand.

Auch als Sylvia die Behörden bat, etwas gegen die Ratten zu unternehmen. Die hatten sich schon vermehrt, brachten gut alle 8 Wochen Nachwuchs zur Welt. So hatte Sylvia auch Ekel und Befürchtungen, den kleinen Garten zu betreten. Sie waren bereits am heiligten Tag auf der Suche nach Futter. Was sie natürlich nicht von Sylvia bekamen. Wobei es seit neuestem menschliche Parasiten, Läuse und Flöhe, gewesen sein sollen, die als Überträger des Pestbakteriums im Mittelalter tätig waren. Wobei zu der Pest auch Ratten halfen. Natürlich findet sich dazu keine Behörde, die zuständig sei. So einfach ist das.

So sollten viele Dinge insgesamt eine Verantwortung fordern.

Am Sonntag stand Sylvia in ihrem Schlafzimmer. Sie hatte das Fenster auf kippe, um zu lüften. Emil Wolbring kam aus dem Haus. Sein Kopf war tiefrot vom Alkohol gefärbt. Wieder rief er seine Beleidigungen und sein Hinweis, Sylvia zu erwischen. Tatsächlich hatte er das Taxi vorgefahren, welches er auf dem entfernten Parkplatz stehen hatte. Was ja nicht sein Eigentum war. Er hielt das Taxi nahe an seinem PKW. Er stieg aus, öffnete die Tür an der Seite. Die Sitze waren von Sylvia zu sehen. Dann bewegte er sich zu dem PKW, öffnete dort auch den hinteren Bereich und holte gelbe Tüten heraus, in dem sich die Kindersitze befanden. So holte er zwei Tüten, legte sie auch auf die Sitze des Taxis. Schloss alle hintere Türen, setzte sich an das Steuer des Taxis und fuhr los. 

Eigentlich hatte sie gedacht, irgendwas geändert zu haben. Verantwortung bestand für sie auch für Kinder. Auch wenn es Kinder sind, die sie nicht kennt, aber die nicht von einem Pädophilen von A nach B befördert werden können. Seine Neigung nicht nur damit beschränkt ist, die Kindersitze zu beschnüffeln. Es ist auch die Art, wie er zum zuschlagen seine Faust benutzt. Für Sylvia war es schon klar, dass er die Faust auch bei Kindern benutzt, wenn sie nicht mehr mit seinen Geheimnissen zu tun haben wollen. Die Verantwortung brachte für Sylvia nur das Gefühl von Hilflosigkeit …  


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Tuna von Blumenstein

Mord in Genf

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Die Handlung in diesem Buch ist fiktiv, die Namen frei erfunden.



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